Digital-Radar Schweiz 2023
Langzeitstudie in Zusammenarbeit mit der Bank WIR und dem Kompetenzzentrum Digitale Transformation der Hochschule für Wirtschaft der Fachhochschule Nordwestschweiz FHNW: Hier die Publikation downloaden
Auf Impuls der Bank WIR leitet und konzipiert das Kompetenzzentrum Digitale Transformation der Hochschule für Wirtschaft der Fachhochschule Nordwestschweiz FHNW seit 2022 die Langzeitstudie «Digital-Radar Schweiz». Für die zweite Ausgabe führte das Markt- und Sozialforschungsinstitut gfs-zürich vom 3. bis 22. Oktober 2022 1007 Interviews mit Bewohnerinnen und Bewohnern der Deutsch- und Westschweiz ab 18 Jahren durch. Ziel war eine systematische Erhebung der Einstellung gegenüber der fortlaufenden Digitalisierung im Alltag der Bevölkerung, und der wahrgenommenen Vor- und Nachteile. Die zweite Ausgabe erlaubt, die vorliegenden Studienergebnisse mit denjenigen der ersten Ausgabe vom Januar 2022 zu vergleichen. Dabei ist wichtig zu wissen, dass aufgrund des Krieges in der Ukraine, der Inflation und der drohenden Energiemangellage ein gewisser allgemeiner Pessimismus herrscht, der in Wiederholungsbefragungen der Bevölkerung spürbar ist: Zukunftsfragen werden häufig und bei verschiedenen Themen pessimistischer beantwortet, so auch in der hier vorliegenden Studie.
Vor- und Nachteile digitaler Technologien
Die Befragten sehen mehr Vorteile als Gefahren in digitalen Technologien. Auf der Sechserskala von eins (überhaupt keine Vorteile bzw. Gefahren) bis 6 (sehr viele Vorteile bzw. Gefahren) erreichen die Vorteile einen Mittelwert von 4,4, die Gefahren einen von 3,2. Grundsätzlich und über fast alle Fragen gesehen gilt: Je jünger die Befragten sind, je besser ausgebildet und je höher ihr Haushaltseinkommen, desto positiver stehen sie digitalen Technologien gegenüber.
Im Vergleich zur Welle 1 im Januar 2022 fällt auf, dass die Beurteilung der Vorteile sinkt. Der Mittelwert sinkt von 4,6 in Welle 1 auf 4,4 in Welle 2. Der Rückgang findet in allen Alters- und Bildungsklassen statt, aber bei den Haushaltseinkommensklassen werden Unterschiede sichtbar: Die beiden tieferen Einkommensklassen unter 4000 CHF und zwischen 4000 und 6000 CHF korrigierten ihre Meinung deutlicher nach unten als die beiden oberen Einkommensklassen. Die Mittelwerte der beiden tieferen Einkommensklassen kommen noch auf 3,8 (Welle 1: 4,1) und 4,1 (Welle 1: 4,4) zu liegen, die der beiden oberen auf 4,5 (Welle 1: 4,7) und 4,8 (Welle 1: 4,8). Die meisten Vorteile sehen die Befragten im Bereich «Zugriff auf Wissen und Inhalte» (Mittelwert in beiden Wellen: 5,0), an zweiter Stelle folgt die Kommunikation mit einem Mittelwert von 4,5 (Welle 1: 4,3), dann die Zusammenarbeit mit einem Mittelwert von 4,1 (Welle 1: 4,0). Bei allen abgefragten Lebensbereichen beurteilen die jüngsten Befragten (18–39 Jahre) die Vorteile digitaler Technologien signifikant höher als die mittlere (40–64) und älteste Gruppe (65+). Auch hohe Bildung und hohes Haushaltseinkommen gehen in fast allen Bereichen mit einer höheren Einschätzung der Vorteile einher.
Der gewichtigste Nachteil der Digitalisierung aus Sicht der Befragten ist die «Überwachung durch Technologien» (4,0, Welle 1: 4,1). «Datenschutz / ITSicherheit » steht an zweiter Stelle (3,9, Welle 1: 4,0) und die «Abhängigkeit von IT / Internet» an dritter (3,8, Welle 1: 3,9). Die 40- bis 64-Jährigen beurteilen die persönlichen Nachteile der Digitalisierung deutlich gewichtiger als die 18- bis 39-Jährigen und die über 65-Jährigen. Als bereits langjährig Berufstätige, evtl. Eltern von schulpflichtigen Kindern und / oder als Kinder von Betagten, spüren sie die Nachteile vielleicht deutlicher. Die Werte dieser Midlifegruppe blieben aber im Vergleich zur Welle 1 ziemlich konstant; verändert hat sich hingegen die Beurteilung der jüngsten Befragungsgruppe (18–39 Jahre). Sie beurteilen die Nachteile der Digitalisierung in den meisten abgefragten Lebensbereichen deutlich tiefer, ihre Einstellung wurde also im Vergleich zur Welle 1 positiver.
Für den Schutz vor den Gefahren des Internets halten die Befragten den Staat bzw. die öffentliche Verwaltung (51 %) in der Verantwortung, aber auch die Bürgerinnen und Bürger selber (49 %) sollen die entsprechende Verantwortung tragen.
Auf die Frage, wer am geeignetsten ist, um die digitalen Kompetenzen der Bevölkerung zu erhöhen, nennen mehr als zwei Fünftel (44 %) Schulen und Hochschulen. Etwas mehr als ein Viertel (26 %) nennt den Staat bzw. die öffentliche Verwaltung und knapp ein Fünftel (19 %) sieht die Bürgerinnen und Bürger selbst als diejenigen, die am meisten helfen können.
Interesse und Kompetenzen
Das Interesse, digitale Technologien zu beherrschen und entsprechende Kompetenzen zu erlernen, sinkt gegenüber der Welle 1 um 0,1 Skalenpunkte. Trotzdem sind es noch zwei Fünftel (40 %) der Befragten, die eher oder sehr hohes Interesse (Skalenwerte 5 und 6) haben (Welle 1: 46 %). Generell kann gesagt werden: Je höher die Bildung und je höher das Haushaltseinkommen, desto höher das Interesse am Erlernen von digitalen Technologien.
Auch die Selbsteinschätzung der eigenen Kompetenzen bezüglicher digitaler Technologien sinkt gegenüber der Vorwelle leicht. Etwas mehr als ein Drittel (36 %) der Befragten bezeichnen ihre eigenen Kompetenzen als eher bis sehr gut (Skalenwerte 5 und 6), in der Welle 1 waren es noch knapp mehr als zwei Fünftel (41 %). Der Mittelwert sinkt von 4,1 auf 4,0.
Je jünger die Befragten sind, je besser gebildet und je höher ihr Haushaltseinkommen ist, desto höher schätzen sie ihre digitalen Kompetenzen ein. Die Unterschiede sind teilweise beträchtlich und stimmen besonders nachdenklich in Bezug auf die Bildung und das Einkommen. Fast ein Viertel (23 %) der Befragten mit tiefer Bildung ist der Meinung, die eigenen digitalen Kompetenzen seien eher oder sehr schlecht (Skalenwerte 1 und 2), aber nur rund ein Siebzehntel (6 %) der hoch Gebildeten. Und: Mehr als ein Viertel (27 %) der tiefsten Einkommensklasse (< 4000 CHF) gibt eher oder sehr schlechte digitale Kompetenzen an (Skalenwerte 1 und 2), bei der Einkommensklasse über 9000 CHF sind es nur zwei Befragte von 302 (0 %). Diese gesellschaftlichen Gräben, die wir schon in der ersten Welle aufzeigen konnten, haben sich in diesem halben Jahr noch leicht vertieft. Sie bergen die Gefahr, dass ein wichtiger Teil der Gesellschaft abgehängt wird, mit Auswirkungen sowohl im Berufs- wie auch im Privatleben.
Wie schon in Welle 1 wird die Bereitschaft für lebenslanges Lernen als am Wichtigsten betrachtet (4,7) für das digitale Zeitalter. An zweiter Stelle liegt Offenheit für Neues (4,6) und an dritter das technische Verständnis (4,2), gemeinsam mit Kommunikationsstärke (4,2). Je höher die Bildung und je höher das Haushaltseinkommen, desto wichtiger werden die verschiedenen Kompetenzen eingeschätzt: Es stellt sich deshalb die Frage, ob genau die beiden Gruppen, denen das Abgehängt-werden droht, die Digitalisierung als nicht wichtig betrachten oder ob sie andere Kompetenzen im digitalen Zeitalter als wichtiger einschätzen.